Samstag | 20. April 2024
 
Mettmann  | 

Analyse: Macht die Pressestelle im Rathaus (zu viel) Bürgermeister-PR?

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Neben Bürgermeisterbüro-Leiterin Dr. Silvia Nolte kümmern sich zwei erfahrene Journalisten um die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Rathaus. Und immer häufiger ist der Vorwurf zu hören, dass dabei vor allem der Bürgermeister in ein gutes Licht gerückt werden soll.

All diese Fotos wurden in den letzten acht Wochen mit städtischen Pressemitteilungen an Medienvertreter geschickt und/oder auf der städtischen Homepage gepostet. Fotos: Stadt Mettmann / Collage: TME

Es war eine Entscheidung des Bürgermeisters, die weite Teile der Politik von Anfang an auf die Barrikaden gebracht hat: die Umstrukturierung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Mettmanner Rathaus. Per Dringlichkeitsantrag hatten CDU, SPD und FDP in der Ratssitzung am 14. Dezember 2016 beschlossen, zwei nach internen Versetzungen offene Stellen in der städtischen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit mit sofortiger Wirkung mit dem Vermerk „kann wegfallen“ zu versehen. Damit sollte eine schnelle Wiederbesetzung verhindert werden. Es folgte ein wochenlanges Hin und Her: Der Bürgermeister beanstandete den Ratsbeschluss rechtlich, die drei Fraktionen wiederum wollten dieser Beanstandung nicht folgen und argumentierten, dass der Bürgermeister in einem „völlig übereilten inkompetenten Auswahlverfahren Besetzungen von zwei neu definierten Stellen im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit vornehmen wollte“.

Am Ende kam es doch zu einer Einigung: Thomas Lekies – bis dahin Redakteur bei Taeglich.ME – und Christian Barra, der zuvor unter anderem beim Schaufenster Mettmann und dem SuperTipp gearbeitet hatte, wechselten Mitte 2017 die Schreibtischseite und bezogen ein Büro im Rathaus – allerdings begleitet vom Zähneknirschen in weiten Teilen der Politik. Und so ist es vielleicht auch nicht verwunderlich, dass jetzt – zwei Jahre vor der nächsten Bürgermeisterwahl und in einer Zeit, in der der Wahlkampf offenbar bereits begonnen hat (siehe dazu der Taeglich.ME-Artikel über die Haushaltsrede des Bürgermeisters) – die kritischen Stimmen wieder hochkommen.

Wahlkampf mit Steuermitteln?

So ist von „offenbar persönlichen Pressesprechern des Bürgermeisters“ die Rede – oder vom „Wahlkampfteam Dinkelmann“. Der Vorwurf, der dahintersteckt: Die Mitarbeiter der städtischen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit rücken neben ihrer eigentlichen Aufgabe – über das Geschehen in der Kreisstadt zu informieren – auch immer wieder den Bürgermeister ins rechte Licht, um diesem so Sympathiepunkte und damit Vorteile bei der Wahl 2020 zu verschaffen. Also: Wahlkampf mit Steuermitteln. Ein harter Vorwurf.

Wir haben die Pressemitteilungen der Stadt Mettmann aus den letzten zwei Monaten genauer unter die Lupe genommen.

Die Zahlen

In der Tat fällt dabei auf, dass der Bürgermeister häufig in den von der Stadt an die Presse versendeten und auf der städtischen Homepage veröffentlichten Pressemitteilungen vorkommt. In Zahlen: Zwischen Mitte August und Mitte Oktober hat die städtische Presse- und Öffentlichkeitsarbeit 163 Meldungen herausgegeben. Gibt man im Archiv dieser Meldungen den Begriff „Bürgermeister“ ein, werden 47 Treffer ausgespuckt. Das entspricht knapp 29 Prozent.

Ist das nun viel oder wenig? Schwer zu beurteilen, denn schließlich ist Dinkelmann als erster Bürger nicht nur repräsentativ unterwegs, sondern in vielen Fällen auch das „Gesicht“ der Stadtverwaltung – der, der den Kopf hinhält.

Mehr als „nur“ Repräsentant

Nun kann man unterschiedlicher Meinung darüber sein, ob ein Bürgermeister immer und überall sein muss – oder ob man repräsentative Aufgaben nicht auch an die Stellvertreter (siehe dazu der Taeglich.ME-Artikel über die stellvertretenden Bürgermeister) abgeben könnte. Schließlich ist der Bürgermeister eben nicht nur Repräsentant, sondern auch Chef von mehreren hundert Mitarbeitern im Rathaus, wo tagtäglich viele Entscheidungen zu treffen sind und wo das Betriebsklima derzeit nicht als besonders gut gilt. Und er ist auch Chef des Rates – und sollte somit auch Stellung zu den wichtigen anstehenden Entscheidungen beziehen. Das hat er zuletzt in Sachen Gesamtschule getan: Dinkelmann spricht sich für eine Gesamtschule aus – bei einem Fortbestand der beiden Gymnasien. Solch klare Positionen des Bürgermeisters wurden indes in der Vergangenheit häufig vermisst – so war zuletzt beispielsweise aus der CDU-Fraktion immer wieder zu hören. Beschränkt sich der Bürgermeister also zu sehr auf medienwirksame repräsentative Themen und Termine?

Bei genauerer Betrachtung der Pressemitteilungen kann man durchaus den Eindruck gewinnen. So finden sich dort Meldungen mit den Überschriften:

Bürgermeister eröffnet Oktoberfest mit Fassanstich
Bürgermeister begrüßt neue Studentinnen und Studenten an der FHDW
Bürgermeister unterstützt ADFC-Fahrradklima-Test
Bürgermeister gibt Startschuss zur 16. Histo-Neandertal
Bürgermeister Dinkelmann eröffnet Deutsche Meisterschaften im Hallen-Boccia
Bürgermeister Dinkelmann beim Abschiedsempfang des japanischen Generalkonsuls
Bürgermeister Dinkelmann eröffnet das 42. Heimatfest
Bürgermeister trifft Jürgen Vogel bei Dreharbeiten im Weltspiegel-Theater

Bleiben wir beim letzten Beispiel: Beim Pressetermin im alten Königshof-Theater, das nicht im städtischen Besitz ist, sondern Familie Rosslenbroich gehört, war auch der Bürgermeister anwesend – samt seiner Büroleiterin und dem Pressereferenten. Natürlich wurde Dinkelmann fotografiert – wie er Jürgen Vogel die Hand schüttelt, mit ihm Smalltalk betreibt. Im Pressetext der Stadt ist dann zu lesen: „In die Welt des Kinos ist Bürgermeister Thomas Dinkelmann am Mittwoch, 29. September, eingetaucht. Im altehrwürdigen Königshof-Theater an der Poststraße traf Mettmanns Verwaltungschef mit dem bekannten Schauspieler Jürgen Vogel zusammen und sprach mit der jungen Regisseurin Viviane Andereggen.“

Stadt darf keine Berichterstattung wie die Presse betreiben

Über solche Ereignisse, wie einen Filmdreh in Mettmann zu berichten, ist eigentlich Aufgabe der Presse – also von Print- und Onlinemedien wie dem Schaufenster, der Rheinischen Post und eben auch Taeglich.ME. Und natürlich waren all diese Medien ebenfalls beim Pressetermin. Insofern hätte es eine Pressemitteilung der Stadt eigentlich nicht bedurft – außer für die eigene Homepage. Und da wird es durchaus kritisch – schon rein rechtlich. So hat vor einiger Zeit beispielsweise der Lensing-Verlag die Stadt Dortmund verklagt. Dabei geht es um den städtischen Internetauftritt dortmund.de. Der Vorwurf von Lensing: Das Angebot verstößt gegen das Grundgesetz – da Gemeinden wegen des Grundsatzes der Staatsferne keine Berichterstattung wie die freie Presse betreiben dürfen.

Wie ist der so genannte Nachrichtenwert?

Von der rechtlichen Bewertung einmal abgesehen: Dass in Mettmann ein Kinofilm gedreht wurde, ist sicherlich eine Nachricht – darum hat Taeglich.ME auch groß darüber berichtet (hier), ob die Top-Nachricht in diesem Zusammenhang allerdings ist, dass der Bürgermeister Jürgen Vogel die Hand geschüttelt hat, ist hingegen fraglich. Ähnlich bei der Pressemitteilung über die tolle Veranstaltung Klang.Räume.Oberstadt. Die zugehörige Meldung aus dem Rathaus beginnt mit den Zeilen: „Begeistert und fasziniert von der Vielfalt der musikalischen Darbietungen sowie den vielen außergewöhnlichen Konzertorten waren Bürgermeister Thomas Dinkelmann und seine Ehefrau Monika Dinkelmann. Zusammen mit den 600 Besuchern zogen sie am Samstagabend von einem Konzert zum nächsten durch die historische Oberstadt.“

Und manchmal ist der Nachrichtenwert (der Nachrichtenwert entscheidet als ein Einflussfaktor, welche Nachricht in den Medien erscheint, ob sie berichtenswert ist, in welchem Umfang und in welcher Aufmachung …) der gesamten Meldung nicht wirklich erkennbar – wie bei der Meldung über den Abschiedsempfang des japanischen Generalkonsuls. In der Pressemeldung heißt es: „Bürgermeister Thomas Dinkelmann hat sich am vergangenen Montag persönlich vom japanischen Generalkonsul Ryuta Mizuuchi und dessen Gattin Dr. Akemi Mizuuchi verabschiedet. Sie kehren bald in ihr Heimatland zurück. Zusammen mit seiner Ehefrau hatte der Diplomat Bürgermeister Dinkelmann zu seinem großen Abschiedsempfang mit mehr als 300 Gästen ins Hotel Nikko nach Düsseldorf eingeladen. Generalkonsul Mizuuchi und Bürgermeister Dinkelmann kennen sich seit mehreren Jahren. Der Generalkonsul ist mit seiner Ehefrau gerne zu vielen verschiedenen Anlässen nach Mettmann gekommen, beispielsweise, um mit Bürgermeister Dinkelmann über den Blotschenmarkt zu gehen.“

Zusammengefasst …

Bei den meisten dieser repräsentativen Termine, die häufig außerhalb der klassischen Büro-Arbeitszeiten liegen, ist neben dem Bürgermeister auch immer ein Mitarbeiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit anwesend, der das passende Foto macht und hinterher den Text schreibt. Inklusive An- und Abfahrt, Vor-Ort-Zeit, Schreiben des Textes, Posten auf die Homepage und Versand an die Presse ist eine Arbeitszeit von vier Stunden pro Termin nicht unrealistisch. Diese Zeit fehlt für andere Aufgaben.

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass das Team der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit grundsätzlich einen guten Job macht. Es sind Profis und die Pressemitteilungen sind gut geschrieben und erleichtern uns Pressevertretern das Leben. Es darf aber nicht passieren, dass die aus Steuergeldern finanzierten Mitarbeiter, deren Aufgabe es ist, die Stadt ins rechte Licht zu rücken, dazu missbraucht werden, den Bürgermeister ins rechte Licht zu rücken. Der Grat ist schmal – und es ist verständlich, dass die Parteien, in denen auch die Pressearbeit ehrenamtlich „nach Feierabend“ gemacht wird, mit Blick auf die bevorstehende Bürgermeisterwahl 2020 sehr kritisch sind.


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