Sonntag | 28. April 2024
 
Kurz notiert im Neanderland  | 

Das Virus stoppt nicht an der Stadtgrenze

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Krankenhäuser sind im Krisenmodus. Doch die Patienten, die nicht auf Operationen und Behandlungen warten können, dürfen nicht durchs Raster fallen. Andreas Degelmann, Geschäftsführer der Kplus Gruppe mit fünf Klinikstandorten, fordert überregionales Denken.

Die Krankenhäuser sind vorbereitet. „Wir haben die letzten beiden Wochen intensiv genutzt, um uns auf die erwartete Patienten-Welle vorzubereiten“, sagt Andreas Degelmann. Der Geschäftsführer der Kplus Gruppe ist verantwortlich für fünf Krankenhausstandorte in Leverkusen, Solingen und dem Kreis Mettmann (unter anderem in Haan). Doch in der regionalen Vernetzung sieht Andreas Degelmann noch Handlungsbedarf. „Aktuell agieren die Kreise und Städte unabhängig voneinander, dabei zeigen die Erfahrungen aus der Zusammenarbeit von Heinsberg und Mönchengladbach wie wichtig ein Versorgungskonzept ist, das an den Stadtgrenzen nicht Halt macht.“

Die Behandlungsmöglichkeiten auf den Intensivstationen sind der Engpass. „Das wissen wir aus den Erfahrungen aus Italien, aber aus dem Kreis Heinsberg“, sagt Andreas Degelmann. „Wir müssen die Intensivkapazitäten gut nutzen, um neben den Covid-19-Patienten auch Notfälle – akute Herzinfarkte, Schlaganfälle, aber auch Patienten mit Krebserkrankungen – weiter vor Ort auch intensivmedizinisch versorgen zu können.“ Bei aller Vorbereitung auf die Covid-19-Welle steht für Andreas Degelmann eines fest: „Wir dürfen diese Patientengruppe nicht aus den Blick verlieren. Wir müssen sie weiter behandeln.“ Auch das sei ethisch verantwortliches, solidarisches Handeln.

Die Lösung liegt in einer gleichmäßigen Verteilung der Patienten mit positivem Covid-19-Befund. „Und zwar über Kreis- und Stadtgrenzen hinweg“, betont Andreas Degelmann. Abstimmungen zwischen den Kreisen und Städten erlebt er in den derzeitigen Beratungen nicht. Jeder schaue auf sich. Bei einem neuen Ausbruchsgeschehen, das von einer Stadt ausgeht, könnten dort die Krankenhäuser schnell an ihre Grenzen stoßen, während umliegende Kliniken in der Region ihre freien, zusätzlich aufgebauten Intensiv- und Beatmungsplätze und das zusätzlich geschulte Personal nicht nutzen. Das helfe unterm Strich niemanden – weder den Patienten mit und ohne Covid und erst Recht nicht dem Mitarbeitern.

Allein in der Kplus Gruppe können bis zu 44 zusätzliche Intensivbetten betrieben werden und zusätzliche Beatmungskapazitäten geschaffen werden. „Alles sehr kurzfristig, indem wir zum Beispiel Narkosegeräte zur Beatmung heranziehen, so lange bis die bestellen Beatmungsgeräte geliefert werden“, erklärt Andreas Degelmann. Doch auch hierbei gilt: Unaufschiebbare Operationen müssen durchgeführt werden. „Das ist unser Auftrag. Das ist unsere Haltung.“

„Das System steht nicht vor dem Kollaps weder hier noch deutschlandweit. Im Gegenteil: Wir sind weit davon entfernt, halbe Kliniken stehen leer, weil wir auf das Virus warten“, so Andreas Degelmann. Über 400 Betten stünden allein in der Kplus Gruppe zurzeit leer, weil viele Eingriffe sofern medizinisch vertretbar geschoben werden. Auf unbestimmte Zeit. Denn die Frage, wann die Welle kommt, wie lange wir brauchen bis wir wieder in der Normalität ankommen, das kann heute niemand zuverlässig beantworten.

Finanziell macht sich der Geschäftsführer aktuell keine Sorgen, auch wenn die Preise für die so notwendige Schutzausrüstung in die Höhe schnellen. Die aktuelle Gesetzeslage entlastet die Kliniken, ist aber nicht ausreichend – vor allem dann nicht, wenn noch über einen längeren Zeitraum planbare Eingriffe auf das medizinisch Unaufschiebbare beschränkt bleiben. Optimal wäre, wenn kurzfristig die eine oder andere zusätzliche Dokumentationspflicht zur Entlastung der Mitarbeiter ausgesetzt werden könne. „Das wichtige Signal ist aber, dass wir mit der politischen Unterstützung die Liquidität erhalten und die Gehälter weiter auszahlen können. Und das können wir“, sagt Andreas Degelmann.

Positives kann der Geschäftsführer trotz allem der Krise abgewinnen: „Wir erfahren gerade so viel Solidarität für unsere Arbeit, das ist ein großartiges Gefühl – und wir zeigen gleichzeitig, dass sich die Gesellschaft auf uns verlassen kann. Wir sind da, wenn man uns braucht.“


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