Freitag | 26. April 2024
 
Neanderland  | 

Kreis will mobile Retter als qualifizierte Ersthelfer einsetzen

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Lebenserhaltende Maßnahmen bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes: Da ist auch die Rettungsleitstelle mit im Boot.

Bastian Etti von der Bildungsakademie und der ärztliche Leiter des Rettungsdienstes, Dr. Arne Köster, demonstrieren die Wiederbelebung mittels Herzdruckmassage. Foto: Kreis Mettmann

Bei lebensbedrohlichen Notfällen kommt im Kreis Mettmann bald schnellere Hilfe: Bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes leisten qualifizierte Ersthelfer als „mobile Retter“ lebenserhaltende Maßnahmen und überbrücken so die Zeit, bis Notarzt und Notfallsanitäter am Einsatzort sind. Der Kreis Mettmann stellte das System, das mehr Menschen das Leben retten soll, jetzt vor.

Als Träger des Rettungsdienstes ist der Kreis Mettmann für eine schnelle und effektive Notfallversorgung zuständig. Wird über den Notruf 112 Hilfe angefordert, sind qualifizierte Rettungskräfte in der Regel innerhalb von acht bis zwölf Minuten am Ort des Geschehens. Hierfür sorgen die Rettungswachen im gesamten Neanderland, in denen etliche Rettungswagen einsatzbereit stehen sowie insgesamt sechs Notärzte, die mit einem umfangreichen medizinischen Equipment für Notfälle gerüstet sind und ebenfalls binnen Minuten an der Einsatzstelle sein können.

Es gibt aber Fälle, in denen diese Hilfsfrist unter Umständen nicht ausreicht, um ein Überleben der Notfallpatienten zu ermöglichen. Dies ist insbesondere bei plötzlich eintretendem Herzstillstand der Fall. Hier zählt buchstäblich jede Sekunde, und die sofortige Einleitung von Wiederbelebungsmaßnahmen in Kombination mit einer schnellen medizinischen Weiterbehandlung erhöht die Überlebenschancen entscheidend, wobei eine Herz-Lungen-Wiederbelebung binnen der ersten drei bis fünf Minuten, in der Regel also vor Eintreffen der Rettungskräfte, eingeleitet werden sollte. Das System „Mobile Retter“ ist eine Ergänzung zum bestehenden System und ersetzt nicht den regulären Rettungsdienst – Rettungswagen und Notarzt rücken ebenfalls unverzüglich aus.

Der Nutzerkreis der Smartphone-Anwendung besteht unter anderem aus Rettungsdienstpersonal, Ärzten, Feuerwehrleuten, Rettungsschwimmern, Arzthilfe- oder Pflegekräften usw., die zuvor registriert und trainiert wurden und über die App alarmiert werden können. Im Idealfall erreicht der mobile Retter den Patienten durch seine räumliche Nähe zur Notfalladresse viel schneller als der Rettungsdienst und kann bereits vor dessen Eintreffen mit lebenserhaltenden Maßnahmen beginnen.

Die Technik wird in Kürze in der Kreisleitstelle installiert

Alarmiert werden die „Mobilen Retter“ durch die Leitstelle, bei der zunächst der Notruf 112 eingeht und eine Person mit dem Verdacht eines Herz-Kreislauf-Stillstandes gemeldet wird. Über eine GPS-Abfrage wird überprüft, ob sich mobile Retter in der Nähe des Notfallortes befinden. Diese werden anschließend durch die Leitstelle alarmiert. Nimmt ein „Mobiler Retter“ den Einsatz an, wird dieser durch die Navigation der App zum Notfallort geleitet. Die Leitstelle erhält die Meldung, dass ein „Mobiler Retter“ den Einsatz angenommen hat. Der mobile Retter kann sich zudem ausweisen. Die nötige Technik wird in Kürze in der Kreisleitstelle installiert.

Zudem konzipiert die Bildungsakademie für Gesundheits- und Sozialberufe des Kreises Mettmann zurzeit ein Curriculum für die Zertifizierung der mobilen Retter und wird künftig für die Qualifizierung von Ausbildern und Ersthelfern sorgen.

An den Start gehen sollen die ersten mobilen Retter dann Anfang kommenden Jahres.

Wer sich den mobilen Rettern anschließen möchte – gerne beruflich oder ehrenamtlich bereits vorgebildet –, kann sich schon jetzt per Mail an mobileretter@kreis-mettmann.deregistrieren lassen. Die Kreisverwaltung wird sich dann in den kommenden Monaten bei den Interessenten melden.

Der beste Ersthelfer ist und bleibt der, der den Notfall beobachtet und sofort einfache und lebensrettende Maßnahmen durchführt.
Landrat Thomas Hendele

„Die mobilen Retter werden sich als hervorragende Ergänzung unseres Rettungssystems erweisen“, ist sich Landrat Thomas Hendele sicher, appelliert aber zugleich an alle Menschen im Kreis: „Über dieses System hinaus ist es von unschätzbarer Bedeutung, wenn jede Bürgerin und jeder Bürger im Notfall Erste Hilfe leistet und sich nicht allein auf zuständige Strukturen beruft. Der beste Ersthelfer ist und bleibt der, der den Notfall beobachtet und sofort einfache und lebensrettende Maßnahmen durchführt. Erste-Hilfe-Kurse werden von allen anerkannten Hilfsorganisationen angeboten.“

App seit 2013 im Einsatz

Die App wurde im Kreis Gütersloh entwickelt und dort seit 2013 erfolgreich eingesetzt. Mehr als 740 mobile Retter kamen dort über 1700 Mal zum Einsatz und konnten hierdurch viele Leben retten. Die Eintreffzeit der mobilen Retter lag im Durchschnitt bei etwa fünf Minuten, sie waren damit im Mittel doppelt so schnell wie der Rettungsdienst. Der Kreis Gütersloh bewertet das Pilotprojekt als sehr erfolgreich.

Aktuell beteiligen sich bundesweit 21 Kreise und kreisfreie Städte an dem Projekt. Bislang haben sich bereits mehr als 16.000 mobile Retter registrieren lassen. Bei mehr als 13.000 Alarmierungen wurden über 6200 Einsätze wahrgenommen.

Seit Mai 2017 ist der Kreis Mettmann Mitglied im Deutschen Reanimationsregister der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI). Seither werden im Rahmen des Qualitätsmanagements alle präklinischen Reanimationen dokumentiert und ausgewertet. In diesem Zeitraum konnten 25,5 Prozent aller Patienten mit einem Herz-Kreislauf-Stillstand wiederbelebt und mit einem stabilen Kreislauf ins Krankenhaus transportiert werden. Obwohl das therapiefreie Intervall im Kreis Mettmann – also die Zeit bis zum Eintreffen eines Rettungsmittels – noch im Bereich des interkommunalen Durchschnitts lag, war der Reanimationserfolg nicht zufriedenstellend. Dies könnte auch daran liegen, dass eine Laienreanimation (Wiederbelebungsmaßnahmen vor Eintreffen des Rettungsdienstes) im untersuchten Zeitraum im Kreis Mettmann nur in 30,6 Prozent aller Fälle erfolgte, der Bundesdurchschnitt betrug 39,1 Prozent.


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