Freitag | 26. April 2024
 
Wülfrath  | 

Haushaltsschock: Plötzlich millionentief im Minus…

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...und die Stadt kann nichts dafür. Einige Unternehmen haben angekündigt, dass sie in diesem Jahr deutlich weniger Steuern zahlen werden. Vier bis fünf Millionen Euro fehlen. Mit TME-Kommentar: "Wülfrath muss breiter aufgestellt sein."

Foto: pixapay
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Vom Erdrutsch ist die Rede, von einem Dammbruch, einer Katastrophe, einem Supergau, „den wir uns in unseren dunkelsten Albträumen nicht hätten vorstellen können“, wie es am Abend CDU-Fraktionschef Axel Effert sagte. Der Haushaltsplanentwurf 2018 ist reine Makulatur, ist geplatzt, ist hinfällig: Bis zu fünf Millionen Euro groß ist das Defizit – weil mehrere Unternehmen, aber vor allem ein sehr großes – weniger Gewerbesteuer zahlen als geplant. Wülfrath muss nun ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen – das sechste. Wann ein Haushalt überhaupt beschlossen werden kann, steht noch gar nicht fest. Und: „Ich kann mir aktuell keine Mehrheit vorstellen, die dieses Haushaltssicherungskonzept beschließt“, weiß Kämmerer Ritsche um die diffizile Gemengelage.

Eben wurde der Hauptausschuss informiert

Bürgermeisterin Dr. Claudia Panke und Kämmerer Rainer Ritsche informierten heute im Haupt- und Finanzausschuss darüber, dass die Gewerbesteuererwartungen des laufenden Jahres deutlich reduziert werden müssen. „Die derzeit geplanten 12,9 Mio. € werden wir definitiv nicht erreichen können“, so der Kämmerer. Er hatte im Vorfeld der für den 10. April beabsichtigten Beschlussfassung des Haushaltes im Rat nochmal Kontakt zu den wichtigsten Gewerbesteuerzahlern aufgenommen. Die Auskünfte, die er bekommen habe, „haben mich schockiert“, so Ritsche offen. „Ich erwarte für 2018 lediglich noch eine Summe von 8 Mio. €. Derzeit sind 10,65 Mio. € veranlagt. Von verschiedenen Unternehmen wurde mir aber signalisiert, dass zum Teil noch mit erheblichen Rückforderungen aus den Jahresabschlüssen 2016 und 2017 zu rechnen sei.“

Unternehmen schaffen Rückstellungen

Wie der Kämmerer darlegte, hat die Reduzierung des Gewerbesteueransatzes zur Folge, dass nicht wie beabsichtigt am 10. April nun über einen mit Hilfe von Grundsteuererhöhungen ausgeglichenen Haushaltsplanentwurf beraten werden könne, sondern sich im Haushaltsjahr 2018 ein Ergebnisdefizit von vier bis fünf Mio. € abzeichnet. Infolge des Steuereinbruchs kann jedoch im Jahr 2019 erstmals seit 2011 wieder mit dem Erhalt von Schlüsselzuweisungen des Landes gerechnet werden. Diese könnten eine Größenordnung von bis zu 2,2 Mio. € erreichen und im Haushaltsjahr 2019 für einen Überschuss im Haushaltsplan sorgen. Ritsche: „In wirtschaftlichen Boomzeiten wie diesen sind wir am Tiefpunkt angelangt.“ Dass die Unternehmen weniger zahlen, hat übrigens nichts damit zu tun, dass sie schlechte Umsätze machen, vielmehr werden Rückstellungen vorgenommen und somit bilanziere Risiken minimiert – zu Lasten des Wülfrather Haushaltes.

Obwohl sich für den Jahresabschluss 2017, dessen Entwurf dem Rat am 10. April ebenfalls vorgelegt werden soll, laut Ritsche ein nennenswerter Überschuss abzeichnet, muss die Stadt der Kommunalaufsicht nun doch mit dem Haushalt 2018 ein genehmigungsfähiges Haushaltssicherungskonzept vorlegen. Bürgermeisterin Dr. Panke sieht genau hierin den Grund, weshalb aus ihrer Sicht ein Beschluss des Haushaltes im April unwahrscheinlich ist. „Die Kunst liegt darin, ein mehrheitsfähiges Konzept auf die Beine zu stellen. Es nutzt nichts, wenn die Verwaltung nun in Vorleistung geht, wir aber mit dem Konzept trotzdem keine Mehrheit für einen Haushaltsbeschluss bekommen. Dabei wird es auch darauf ankommen, wie sich die Fraktionen zum Thema Grundsteuererhöhung stellen. Bei solch dramatischen Veränderungen auf der Einnahmeseite ist dieser Prozess nicht bis zur nächsten Ratssitzung zu stemmen. Nach Überwindung des Schocks müssen wir die Ärmel hochkrempeln und intensiv gemeinsam mit der Politik ausloten, wie wir mit dieser Situation umgehen wollen.“

Vereine erhalten vorerst keine Zuschüsse

Mit der neuen Situation verlängert sich die Phase der vorläufigen Haushaltsführung erläuterte der Kämmerer. Bis zur Genehmigung eines Haushaltes durch die Kommunalaufsicht sind daher bis auf weiteres nur unabweisbare Verpflichtungen einzugehen bzw. Aufwendungen zu leisten. Als Beispiele für zurückzustellende Maßnahmen nannte er zum Beispiel den eigentlich bereits 2017 beabsichtigten Umbau des Bürgerbüros, die Erneuerung der Lautsprecheranlagen am Erbacher Berg, die Zahlung von freiwilligen Zuschüssen an Dritte, wie beispielsweise an Vereine, oder die geplante Ersatzbeschaffung von Mobiliar. Darüber hinaus ist das Ausgabeverhalten der Stadt eng mit der Kommunalaufsicht abzustimmen

Eine Mehrheit für einen Kurs ist aktuell nicht absehbar. Denkbar ist, dass ein Doppelhaushalt für zwei Jahre aufgestellt wird. Auf jeden Fall möchte die Verwaltung bis Ende Juni die Hebesatzung für die Grundsteuern beschließen lassen – mit der geplanten Erhöhung auf 550 Punkte. Harte Beratungen stehen an, für die die CDU ankündigt, dass es kein Tabu und kein Denkverbot geben würde.

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Nein, der Name der Firmen, die in diesem Jahr weniger als kalkuliert in die Stadtkasse einzahlen werden, hat im Rathaus niemand genannt. Und doch ist ein offenes Geheimnis, dass auch ein sehr großes Unternehmen dabei ist, das zu den größten Steuerzahlern traditionell zählt. Und da  bewahrheitet sich einmal mehr die alte Weisheit: Ist dieses Unternehmen erkältet, hustet ganz Wülfrath. Diesmal mit Schüttelfrost und grippalem Schockzustand. Und es wird wieder deutlich: Wülfrath ist im großen Maße von einem Steuerzahler abhängig. Daraus ergibt sich ein klarer Handlungsauftrag: Die Kalkstadt muss endlich breiter aufgestellt werden, braucht weitere zahlungskräftige Firmen. Ein Areal, auf dem eine Ansiedlung möglich wäre, ist im Besitz von Lhoist zum Beispiel: an der Meiersberger Straße/Ecke Rohdenhauser Straße – geradezu prädestiniert für ein Gewerbegebiet, aber nicht im Zugriff der Stadt. Und was ist mit den Gebieten im Bereich Röntgenstraße, die durch die Nordumgehung erschlossen werden sollten?
Was aktuell bleibt: Rat und Verwaltung stehen einmal mehr vor dem Thema Aufgabenkritik, um das Loch in diesem Jahr so weit wie möglich zu stopfen. Das darf aber nicht reflexartig bedeuten, Einrichtungen wie Wasserwelt oder Stadtbücherei in Frage zu stellen. Da erwarten wir Wülfrather Kreativeres. Sonst würde Wülfrath wirklich kaputt gespart. Und das würde keine Steuererhöhung rechtfertigen.

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