Freitag | 26. April 2024
 
Mettmann  | 

Drei Fragen, 15 Antworten – zum Thema Finanzen

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Die städtische Haushaltssituation ist "auf rasanter Talfahrt", wie es Landrat Thomas Hendele als Chef der Kommunalaufsicht bezeichnet hat. Grund genug, den Vorsitzenden der fünf im Rat vertretenen Fraktionen dazu jeweils drei Fragen zu stellen.

Foto: Andreas Hermsdorf / pixelio.de

Die Vorgabe für die Fraktionsvorsitzenden (bzw. im Fall der Piraten/Linke an den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden): maximal fünf Sätze pro Antwort.

Welchen Anteil hat Ihre Fraktion an der städtischen Haushaltslage, die Landrat Thomas Hendele jüngst als „auf rasanter Talfahrt“ bezeichnet hat? Wurde rückblickend in den letzten Jahren zu viel Geld ausgegeben?

Dr. Richard Bley (CDU): Jede Ausgabe im städtischen Haushalt, die mit der CDU beschlossen wurde, geschah immer auch unter dem Blickwinkel der wirtschaftlichen Machbarkeit. In den letzten Jahren wurden von Bund und Land den Kommunen zunehmend Aufgaben übertragen – das gilt auch für Mettmann. Ein neuer Brandschutzbedarfsplan mit ca. 20 weiteren Stellen bei der Feuerwehr, die erhebliche Erhöhung der Teilkreisumlage aufgrund der erfolgreichen Klage einer Kommune aus dem Kreis (Monheim), enorme wirtschaftliche Ausgaben durch die Aufnahme und Unterbringung zahlreicher Migranten, die (wünschenswerte aber teure) Ausweitung der U3- und Ü3- Betreuung. Das sind stellvertretend einige Beispiele von außen uns vorgegebenen Aufgaben, die sich in unserem Haushalt erheblich bemerkbar machen.

Dr. Richard Bley (CDU). Foto: TME
Dr. Richard Bley (CDU). Foto: TME

Florian Peters (SPD): Die SPD-Fraktion hat in den vergangenen Jahren dem städtischen Haushalt zugestimmt und damit Verantwortung übernommen, dazu stehen wir. Im Bewusstsein der schwierigen Haushaltslage haben wir dabei teilweise schmerzlichen Kürzungen oder Steuererhöhungen zugestimmt und alle unsere Forderungen an dem finanziell Machbaren orientiert. Wir dürfen aber nicht verkennen, dass es vor allem zwei Faktoren sind, die unseren Haushalt massiv belasten und durch die Fraktionen im aktuellen Rat nicht wirklich zu beeinflussen sind: Die unzureichende Finanzierung unserer Aufgaben durch Bund und Land sowie die Zins- und Tilgungsbelastungen durch unsere Altschulden.

Nils Lessing (Grüne): Die Schieflage des Haushalts resultiert zum einen aus dem Versagen der CDU/SPD-Bundesregierung und der CDU/FDP-Landesregierung, die immer mehr Aufgaben auf die Kommunen verlagern, aber nicht für eine ausreichende Kommunalfinanzierung sorgen. Zum anderen hat das natürlich auch Ursachen in der Mettmanner Kommunalpolitik der letzten Jahrzehnte, so wurden in der Vergangenheit gegen unsere Stimmen Millionen in Straßenneubau gesteckt, der in Zukunft weitere Folgekosten hervorruft und die Verkehrsprobleme nicht gelöst hat. Auch hat die bisherige Ratsmehrheit aus CDU und SPD die Entscheidung zur Zukunft der Stadthalle immer weiter verschoben, so dass sich hohe Defizite angehäuft haben. Darüber hinaus wurde aber zu wenig in die Unterhaltung von Gebäuden, bestehenden Straßen, den Klimaschutz oder auch in präventive Maßnahmen im Jugend- und Sozialbereich investiert. Das Sparen an diesen Stellen führt zu viel höheren Ausgaben heute und in der Zukunft.

Nils Lessing (Grüne) Foto: privat
Nils Lessing (Grüne) Foto: privat

Klaus Müller (FDP): Obwohl die FDP-Fraktion schon seit Jahren vor einem dramatisch anwachsenden Schuldenberg, der mittlerweile fast 150 Mill. Euro beträgt und insbesondere die nachfolgende Generationen belasten wird, vehement gewarnt hat, sind die Mettmanner Freidemokraten an der Haushaltsmisere, die mit einem seit Jahren strukturell nicht ausgeglichenen Haushalt einhergeht, zumindest indirekt beteiligt. Es der FDP-Fraktion leider nicht gelungen, die anderen Fraktionen im Rat von der verantwortungsvollen und vorausschauenden Haushaltspolitik der FDP mehrheitlich zu überzeugen. Viele der Sparappelle der Freidemokraten wurden von den anderen Fraktionen leider nicht mitgetragen, so dass die Ausgaben die Einnahmen weit übertrafen und zu dieser prekären Haushaltslage führten. Im Übrigen bitte ich zu berücksichtigen, dass in Zeiten der Corona-Krise die Haushalte der Kommunen, somit auch der der Stadt Mettmann, vor einer ganz besonderen finanziellen Herausforderung stehen.

Jürgen Gutt (Piraten/Linke): Nicht aufschiebbare Erhaltungsmaßnahmen, z. B. Stadthalle, Schulen, Hallenschwimmbad etc. haben wir mitgetragen. Zukunftsinvestitionen bezüglich Stadthalle, Schullandschaft, Straßen usw. sind seit Jahren überfällig. Die zu geringen Einnahmen (Steuern, Abgaben) grenzen die pflichtigen und freiwilligen Leistungen ein. Mehr Personal (Kitas, Feuerwehr) war notwendig, da gesetzlich vorgeschrieben. Es ist Aufgabe des Landes, hinreichende Finanzmittel zu gewähren, damit Kommunen ihre Aufgaben, pflichtige wie freiwillige, entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „kraftvoll“ erfüllen können; hierzu reichen die eigenen Steuereinnahmen unserer Stadt bei Weitem nicht aus.

Frage 2

Welche freiwilligen Leistungen hält Ihre Fraktion für verzichtbar, an welchen darf keineswegs gerüttelt werden?

Dr. Richard Bley (CDU): Eine Kürzung der wenigen noch verbliebenen freiwilligen Leistungen (Musikschule, Stadtbibliothek, Schwimmbad) zu Lasten der Mettmanner Bürgerinnen und Bürger und zur Verringerung der Lebensqualität in Mettmann widerspricht unserer Politik. Unser Ziel war und ist eine familienfreundliche Stadt, in der wir gerne leben. Auch würde eine Reduzierung der Leistungen die wirtschaftliche Lage der Stadt nur geringfügig verbessern. Hinzu kommt, dass diese Leistungen alle durch Landes- und Bundesmittel gefördert werden. Ein Verzicht auf diese Fördergelder, um die Finanzlage zu verbessern wäre eine „Milchmädchenrechnung“ und absolut kontraproduktiv.

Florian Peters (SPD): Der Anteil an freiwilligen Leistungen im städtischen Haushalt ist inzwischen minimal. Weitere massive Kürzungen würden einen fatalen Einschnitt in das soziale und kulturelle Leben unserer Stadt zur Folge haben. Und selbst dann würden uns die bei Frage 1 genannten Belastungen weiter finanziell erdrücken. Von daher ist es fatal zu glauben, die Schließung der städtischen Einrichtungen würde die städtischen Finanzen nachhaltig sanieren. Wer im großen Stil freiwillige Leistungen einsparen will, soll konkret sagen, welche und was für Folgen dies für unsere Stadt hat. Für uns ist dies kein Weg, den Haushalt zu sanieren.

Florian Peters (SPD, Mitte), hier im Bild mit Andrea Rottmann und Heribert Klein., Foto: TME
Florian Peters (SPD, Mitte), hier im Bild mit Andrea Rottmann und Heribert Klein., Foto: TME

Nils Lessing (Grüne): Die sogenannten freiwilligen Leistungen sind das, was letztlich einen Großteil der Lebensqualität für die Menschen in Mettmann ausmacht. Ob die Schwimmbäder, die Musikschule oder die Bibliothek – alle diese Einrichtungen tragen zur Bildung, Freizeitgestaltung und sportlicher und musischer Erziehung bei. Außerdem sind sie eng verwoben mit den Schulen z. B. im Bereich des Schwimmunterrichts, der musikalischen Früherziehung oder dem Programm JeKits (Jedem Kind Instrumente, tanzen, singen), das für 1000 Schülerinnen und Schüler an den Grundschulen durchgeführt wird. Ein Wegbrechen dieser Leistungen würde ein Loch in die Mettmanner Bildungslandschaft reißen. Daher setzen wir uns für den Erhalt dieser Leistungen ein und fordern eine solide Finanzierung durch Land und Bund.

Klaus Müller (FDP): Nach Ansicht der FDP ist es nicht zielführend, nach der „Rasenmähermethode“ eine Aufwandsreduzierung durchzuführen. Auch das willkürliche „Herauspicken“ einzelner freiwilliger Leistungen kann nicht die Lösung sein. Es muss eine gezielte Ausgabenkritik vorgenommen werden und der im Zuge der letzten Haushaltsberatungen von der Kämmerin vorgelegte Katalog der freiwilligen Leistungen kritisch auf den Prüfstand gestellt werden. Das kann dazu führen, dass wir uns von freiwilligen Leistungen, die uns in der Vergangenheit lieb und teuer waren, verabschieden müssen.

Klaus Müller (FDP). Foto: TME
Klaus Müller (FDP). Foto: TME

Jürgen Gutt (Piraten/Linke): Auch hier ist grundsätzlich zu klären: Wie weit fühlt sich das Land in der Pflicht, auch freiwillige Aufgaben als Bedarf anzuerkennen? Die sogenannten freiwilligen Leistungen sind in den letzten Jahren (Jahrzehnten) auf ein Mindestmaß reduziert worden. Unverzichtbar sind die Zuschüsse für Vereine, soz. Organisationen, Sport, Kultur, und Jugend und Soziales. Weitere Reduzierung dieser „freiwilligen“ Leistungen werden wir nicht mittragen.

Frage 3

Wie will Ihre Fraktion innerhalb des sicherlich engen Sparkorsetts in der kommenden Legislaturperiode Akzente setzen – oder kann nur noch reine „Mangelverwaltung“ betrieben werden?

Dr. Richard Bley (CDU): Politik in Mettmann besteht seit vielen Jahren aus einer „Mangelverwaltung“ – das ist uns allen bekannt und kein neues Phänomen. Akzente kann man trotzdem setzen: Die Leistungen in der Stadt bedürfen stets der Prüfung der Werthaltigkeit durch Rat und Verwaltung, wobei es aber nicht nur um ein „Ob“, sondern vor allem um ein „Wie“ geht. Mit dem Einbinden von ehrenamtlichen Leistungen, von Vereinen aber auch durch die Zusammenlegung von Aufgaben im Rahmen einer interkommunalen Zusammenarbeit sind Potenziale zu erzielen. Ebenso gilt dies für eine übergreifende Analyse der Verwaltungsorganisation, die wir bereits beantragt haben, deren Wirkung aber erheblich von der Bereitschaft der Verwaltungsspitze und vor allem des Bürgermeisters abhängt, Ergebnisse intern zu kommunizieren und umzusetzen. Dessen Bereitschaft hierzu ist aber leider nicht erkennbar.

Florian Peters (SPD): Wir begrüßen den Ansatz von Sandra Pietschmann zur Gründung eines offenen Kompentenztisches für Stadtfinanzen. Dieser bietet die Gelegenheit, die finanzielle Lage der Stadt auf breiter Ebene zu diskutieren und unterschiedliche Expertise einzubringen. Zudem fordern wir weiter die Einführung eines echten Bürgerhaushaltes, um auch den Bürgerinnen und Bürgern mehr Möglichkeit zur Mitgestaltung zu geben. Was unsere frewillligen Leistungen angeht, stehen die Zeichen ehrlich gesagt weiter auf Erhalt von Angeboten statt auf Ausweitung.

Nils Lessing (Grüne): Wir wollen Mettmann nachhaltig gestalten, und dazu gibt es z.B. im Bereich Klimaschutz eine Reihe von Fördermitteln, Programmen und Projekten, mit deren Hilfe die Lebenswirklichkeit in Mettmann verbessert werden kann, ohne langfristig zusätzliche Kosten zu generieren. Beim Thema erneuerbare Energien und Photovoltaik rentiert sich die Investition innerhalb eines Jahrzehnts sogar. Investitionen in die Bildungslandschaft müssen jetzt getätigt werden, es braucht jetzt mehr Kitaplätze, mehr Offene Ganztagsplätze, eine Gesamtschule, Gebäudesanierungen in allen Schulen und eine vernünftige Digitalisierung. Diese Investitionen dürfen nicht verschoben werden, da Mettmann nur durch eine gute Infrastruktur in allen Bereichen zukunftsfähig wird und darüber hinaus auch attraktiv für neue Unternehmen, die dann wiederum mit Steuereinnahmen die Finanzsituation verbessern. Gleichzeitig sehen wir Spar- und Einnahmemöglichkeiten durch eine Modernisierung und Digitalisierung der Verwaltung oder eine Zusammenarbeit mit Nachbarkommunen im Bereich des Baubetriebshof oder bei der Feuerwehr.

Klaus Müller (FDP): Aufgrund des zu erwartenden pflichtigen Haushaltssicherungskonzeptes durch die Kommunalaufsicht werden die Spielräume hinsichtlich der Akzentuierung und Umsetzung eigener politischer Ziele für unsere Fraktion sicherlich enger – dies bedeutet aber nicht, dass wir uns von einer gestaltenden Kommunalpolitik verabschieden werden. Wir werden weiterhin für die Beibehaltung der bestehenden Schullandschaft in Mettmann mit zwei Gymnasien, einer Realschule und dem Berufskolleg werben. Dass die Errichtung einer Gesamtschule von der Agenda gestrichen wird, dürfte auch auf Grund der kritischen Haushaltssituation mittlerweile jedem klar sein. Das Ziel Kultur-und Bildungszentrum am derzeitigen Standort der Neandertalhalle wird weiterverfolgt. Die umfangreichere  Digitalisierung der Verwaltung und verstärkte Bemühungen um eine zeitgemäße Wirtschaftsförderung  sind unter anderem weitere Ziele für die kommende Ratsperiode.

Jürgen Gutt (Piraten/Linke): Meine Schreiben an den Landrat des Kreises und den Ministerpräsidenten des Landes zielten darauf ab, ihrer Verantwortung für die  kommunalen Aufgaben einzufordern. Die kommunale Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs.2 GG  läuft ins Leere, wenn die Gemeinden strukturell, d. h. nicht nur vorübergehend, unterfinanziert sind und das Haushaltsrecht unsere Verschuldungsmöglichkeiten stark einschränkt. Mit Haushaltssperre, Wiederbesetzungssperre, Beförderungsstopp und die prozentuale Verringerung aller Haushaltsansätze („Rasenmäherprinzip“ ist möglicherweise ein finanzieler Erfolg zu verzeichnen, die anhaltenden Finanzierungsprobleme der Stadt würden sich in einem außerordentlich starken Rückgang der Investitionsausgaben niedergeschlagen. Ein fatales Signal, denn Kürzungen bei den Investitionen signalisieren nicht nur fiskalische Armut! So bleibt es Aufgabe des Landes NRW: die Entlastung der Kommunen von Aufgaben, den Verzicht auf die Zuweisung neuer Aufgaben (Beachtung des Konnexitätsprinzip), die Erschließung neuer Einnahmequellen, nicht nur zu überdenken sondern tatkräftig umzusetzen.

Jürgen Gutt (Piraten/Linke). Foto: privat
Jürgen Gutt (Piraten/Linke). Foto: privat

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